Prof. Dr. Gernot Duncker „Es ist eine Freude, zu sehen“

Redaktion (Red): Herr Prof. Dr. Duncker, wenn man das Institut für Augenheilkunde (IFA) am Rathenauplatz in Halle betritt, sieht jeder sofort die Spezialisierungen am Eingangswegweiser. Wie kam es zum Aufbau dreier Fachabteilungen, die für Halle sicher etwas ganz Besonderes sind?

Prof. Duncker (PD): Im Jahr 2007 gründete ich das Augenlaser Zentrum, damals noch in meiner Funktion als Direktor der Universitäts-Augenklinik Halle als ein an die Universität angegliedertes Institut (An-Institut), wobei die Finanzierung ausschließlich aus eigenen Mitteln erfolgte. Das Augenlaser Zentrum gründete ich aus der Überzeugung heraus, dass den hochpräzisen Augenlaserverfahren die Zukunft gehört und angewandte klinische Forschung mit wissenschaftlicher Auswertung der Ergebnisse für die Weiterentwicklung der refraktiven Chirurgie enorm wichtig ist. 

Im Jahr 2011 entschied ich mich dann dazu, die Universität zu verlassen und mich in Halle als Augenarzt niederzulassen. Ich gründete das Institut für Augenheilkunde, wo grundsätzlich alle Patienten mit Augenproblemen kompetent behandelt werden sollten und der Schwerpunkt nicht mehr alleine nur im refraktiven Bereich lag.

Nun, wie kam es zum Aufbau der anderen beiden Fachabteilungen …  Bei der Versorgung der refraktiven Patienten merkten wir schnell, dass Lasereingriffe, Kunstlinsen-Implantationen, ja selbst die Implantation von Kontaktlinsen (ICL) nicht bei allen Patienten zu optimalen Ergebnissen führt. Es gibt nicht wenige Patienten mit einer so unregelmäßigen, verdünnten Hornhautoberfläche, dass diese nicht mit dem Laser behandelt werden können. Das war die Geburtsstunde unseres Kontaktlinsen Zentrums, das heute sogar mit sogenannten Sklerallinsen arbeitet, die sich gar nicht mehr auf der Hornhaut abstützen, sondern auf der Binde- und Lederhaut und viel verträglicher sind als frühere Kontaktlinsen-Generationen.

Mit dem Makula Zentrum verhielt es sich ähnlich. Wir erkannten, dass für Patienten mit Netzhauterkrankungen eine Spezialsprechstunde aufgebaut werden muss, um eine optimale Behandlung zu gewährleisten. Für die richtige Diagnose und die Einleitung einer schnellen Therapie sind hochwertige technische Geräte wichtig, zusätzlich muss für die entsprechende fachliche Kompetenz und die logistische Infrastruktur gesorgt sein. Damals war es so, dass viele Patienten im Umfeld wochen- und mitunter monatelang auf einen Beginn der Therapie warten mussten. Viele Patienten kamen daher mit bereits weit fortgeschrittener Erkrankung zu uns. Heute ist es so, dass wir im Notfall an jedem Werktag intravitreale Injektionen durchführen können und die modernsten und hochwertigsten diagnostischen Geräte nutzen, was für die Qualität der Behandlung eine wichtige Rolle spielt.

Red: Sehen Sie die Kinderaugenheilkunde ebenso als Thema, dessen sich Ihre Praxis so intensiv annimmt?

PD: Die Versorgung der jüngsten Patienten ist uns besonders wichtig, das stimmt. Außerhalb von universitären Einrichtungen gibt es wenige Augenarztpraxen, die sich auf die Behandlung von Kindern spezialisiert haben. Dabei gibt es einen immensen Bedarf an kinderaugenärztlicher Versorgung, die ja weit über die Schielbehandlung hinausgeht. Wir haben mit Frau Dr. Marquardt eine ausgezeichnete Augenfachärztin, die lange in der Sehschule der Universitäts-Augenklinik Halle gearbeitet hat und bei uns nun eine augenärztliche Spezialsprechstunde für Kinder etablierte. Die Sprechstunde findet in der Saale-Klinik in Halle statt, wo wir einen Ableger unseres IFA unterhalten. Dieses Angebot wird auch sehr gern angenommen und es besteht eine enge Kooperation zu überweisenden Augen- und Kinderärzten.

Red: Durch Ihre Fertigkeiten sind Sie überregional bekannt, auch in Fachkreisen wird öfters eine Zweitmeinung von Ihnen gewünscht. Welche Patienten werden mit welchen Erkrankungen von anderen Augenärzten an Sie überwiesen?

PD: Es gibt viele Gründe, warum uns Patienten aus dem Umfeld von Halle und auch überregional gesandt werden, aber die gute, qualifizierte operative Versorgung spielt sicher eine ganz wesentliche Rolle.

Wenn jemand eine Hornhautverkrümmung und gleichzeitig einen Grauen Star hat, dann haben wir hier die Möglichkeit, eine Mehrstärkenkunstlinse einzusetzen, die gleichzeitig die Hornhautverkrümmung korrigiert. Durch diese sogenannten Premiumlinsen braucht der Patient nach der Operation keine Brille mehr, weder für die Nähe, noch für die Ferne.

Zusätzlich haben wir die Möglichkeit, den Grauen Star mit unserem präzisen CATALYS®Laser zu operieren. Das Verfahren stellt sicher die Zukunft der Grauen Star-Operation dar und ist sehr genau und sicher. Wir sind froh, diesen Weg von Anfang an mitzugehen und eines der derzeit hochwertigsten Geräte auf dem Markt unseren Patienten anbieten zu können.

Wenn Patienten keine Brille oder Kontaktlinsen mehr tragen möchten, bieten wir auch LASIK oder sogenannte implantierbare Kontaktlinsen (ICL) an. Da wir im Vorfeld nicht auf ein bestimmtes Verfahren festgelegt sind - was in anderen Zentren aus wirtschaftlichen Gründen durchaus der Fall sein kann - können wir unsere Patienten sehr kompetent beraten, welcher Weg für sie medizinisch der geeignetste ist.

Dann gibt es noch Patienten, die teilweise von weither kommen, um eine ambulante Hornhauttransplantation bei uns vornehmen zu lassen. Wir sind in Mitteldeutschland die einzige Stelle, die routinemäßig ambulante Hornhauttransplantationen durchführt. Während meiner Zeit an den Universitätsaugenkliniken in Kiel und Halle habe ich über 2000 Hornhauttransplantationen durchgeführt. Leider ist die Beantragung der Kostenübernahme für ambulante Hornhauttransplantationen bei den gesetzlichen Krankenkassen teilweise schwieriger als bei einer stationären Durchführung des Eingriffes. Trotzdem würde ich mir wünschen, in Zukunft die Zahl der ambulanten Hornhauttransplantationen noch weiter steigern zu können. Wir führen bei uns sowohl Hornhauttransplantationen durch, bei denen die gesamte Hornhaut verpflanzt wird, als auch ein neues Verfahren, wo nur die hinteren Hornhautschichten ausgetauscht werden (DMEK). Dies ist für bestimmte Hornhauterkankungen eine sehr elegante Methode, der zweifelsfrei die Zukunft gehört.

Im Kontaktlinsen Zentrum schaffen wir es oft auch bei jenen Patienten die Sehschärfe deutlich zu verbessern, denen mit anderen Verfahren nur ungenügend geholfen werden konnte.

Das Makula Zentrum hat sich in den letzten Jahren zu einem Kompetenzzentrum für die Diagnostik und Therapie von Netzhauterkrankungen entwickelt. Auch aus diesem Grund werden uns viele Patienten überwiesen.

Ganz wichtig: Auf unseren regelmäßigen Treffen mit zuweisenden Augenärztinnen und Augenärzten informieren wir die mit uns kooperierenden Ärzte über unsere Erfahrungen, die neuesten Erkenntnisse, Techniken und bitten um Austausch, Verbesserungsvorschläge und auch Kritik. Dieser Austausch ist für beide Seiten enorm wichtig und wir haben viele Bereiche aufgrund dieser fruchtbaren Diskussion weiterentwickeln können.

Die jährliche TÜV-Zertifizierung hat auch dazu geführt, dass viele Abläufe in der Praxis noch weiter standardisiert wurden und Qualitätsstandards definiert werden konnten. Davon profitieren dann am Ende auch die Patienten.

Red: Welche Bedeutung messen Sie den verschiedenen LASIK-Verfahren für die Korrektur von Fehlsichtigkeiten bei? Sie selbst bieten ja die LASIK auch an, um ohne Brille oder Kontaktlinse leben zu können …

PD: Noch einmal: Die Philosophie unseres Hauses ist es, für eine bestimmte Refraktion, für ein bestimmtes Problem des Patienten die optimale Lösung zu finden. Wenn sich für einen Patienten z. B. das ReLEx® smile-Verfahren als die beste Variante herausstellt, dann muss man ihm diese auch zugänglich machen. Wenn man die Investition hierfür noch nicht geleistet hat, schickt man ihn zum besten Anbieter. Doch ist es so, dass nicht jede Hornhaut für derartige Laser-Verfahren geeignet ist. Von daher muss man hier sehr genau hinsehen, was man macht. Ich würde nicht empfehlen, so eine wichtige Entscheidung in einem kurzen LASIK-Check in der Mittagspause zu treffen. Dafür sind zu viele verschiedene Parameter zu berücksichtigen.

Mit unserem Eximer-Laser führen wir übrigens auch viele therapeutische Behandlungen von Hornhauterkrankungen durch und bekommen hier überregional viele Patienten zugewiesen. Wir sind gut aufgestellt, und können weit mehr mit unserem Laser tun, als schnellstens die Brille loszuwerden.

Red: Als Direktor der Universitäts-Augenklinik Halle waren Sie auf internationalem Niveau sehr gut vernetzt und nahmen wahr, welche Chancen die refraktive Chirurgie für die  augenärztliche Therapie bietet. Hier im IFA konnten Sie diesen Bereich ausbauen. Haben Sie während Ihrer praktizierenden Tätigkeit noch die Zeit für den wissenschaftlichen Blick über den Rand des Landes?

PD: Im IFA kann ich die refraktive Chirurgie so weit voranbringen, wie es mir vorher aufgrund der vielfältigen Aufgaben und Verpflichtungen als Kliniksdirektor nicht möglich war. Durch die zahlreichen Kongresse im In- und Ausland bin ich heute nach wie vor gut vernetzt. Ein Kollege aus Manchester meinte einmal zu mir, “wenn man in einem Bereich besonders gut sein will, dann muss man sich mit dem Thema wissenschaftlich auseinandersetzen, sonst wird man ein gewisses Niveau nicht überspringen.” Ich glaube, dass er damit recht hat. Sich an dem reiben, was möglich ist; auf Kongressen als Referent seine Behandlungs- und Studienergebnisse zu präsentieren und zur Diskussion zu stellen, ist einfach enorm wichtig, um die Behandlung der Patienten immer weiter zu verbessern. Ich glaube, ohne diesen wissenschaftlichen Anspruch bleibt man irgendwann in der Routine stecken und schafft es nicht mehr, für die Patienten das optimal Mögliche herauszuholen. Im April war ich z. B. für eine Live-Web-Übertragung in Marrakesch/Marokko, wo ich einem 12-jährigen Jungen eine künstliche Regenbogenhaut implantierte. Natürlich mit weiteren Referaten und Vorträgen. Diese Operation wurde zum ersten Mal überhaupt in Marokko durchgeführt. Auch unsere Weiterentwicklung einer künstlichen Hornhaut, einer Keratoprothese und deren Implantation fand internationale Beachtung. Den Fortschritt anzutreiben und einen Beitrag zu leisten für die Ausbildung von Kollegen ist mir nach wie vor sehr wichtig.

Red: Mit der Unterstützung Ihres Sohnes, Dr. Tobias Duncker, steht nun fast eine Familienpraxis. Findet Ihr Werk eine Fortsetzung und können Sie die Zukunft etwas entspannter planen?

PD: Nein, ganz so ist es nicht. Mein Sohn arbeitete mehrere Jahre an der renommierten Columbia University, New York und anschließend an der Charité in Berlin. Als die Leiterin unseres Makula Zentrums, Frau Rautenberg, in Elternzeit ging, übernahm er diese Position und hat seitdem wirklich viel erreicht, seine auf dem Gebiet der Netzhauterkrankungen gemachten Kenntnisse, ja sein ganzes Potential eingebracht. Die punktgenauen Diagnosemethoden mit dem auf sein Bestreben hin angeschafftes Spectralis-Gerät von Heidelberg Engineering sind weltweit führend. Auch die notfallmäßige Versorgung von Patienten mit intravitrealen Injektionen erfolgte verstärkt durch sein Engagement. Ich bin sehr froh darüber. Wenn Frau Rautenberg in Kürze zurückkommt wird es eine Verdopplung dieser so wichtigen Ausrichtung geben und wir versprechen uns hiervon eine verstärkte Schubkraft.

Red: Auch das CATALYS®Lasersystem sorgte für einen gewaltigen Schub, so hört man …

PD: Wir bieten den CATALYS®Laser seit 2015 unseren Katarakt- & RLA-Patienten an und sind begeistert. Vor der OP wird ein individuell auf das Auge des Patienten zugeschnittener Behandlungsplan erstellt. Es ist natürlich schön, die Linse auf einen 10tel-mm genau vorzupräparieren und dann eine Premiumlinse zu implantieren, die perfekt sitzt. Es ist wirklich faszinierend, was für technische Möglichkeiten es mittlerweile gibt. Der CATALYS® ermöglicht es uns Chirurgen, den Grauen Star einfacher und schonender zu entfernen als je zuvor. Ich freue mich jedes Mal, das Behandlungsergebnis am Tag nach der Operation zu sehen.

Red: … eine Freude zu sehen, im doppelten Sinne. Ich danke für dieses Interview.